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Hörspiel des Monats August 1994 |
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Die Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste
benennt als Hörspiel des Monats August 1994
VIERERPACK
Eine Kurzhörspielserie von Christian Bieniek
In der Regie von Burkhard Schmid
Produzent: Hessischer Rundfunk
Das Personal der Kurzhörspiele sind: alleinerziehende Mutter und drei heranwachsende Töchter, Erstsemester, Teenager, Rotzgöre.
Und dieses Weiber-Viererpack bewältigt nun den Alltag miteinander, „Das Picknick“ genauso wie den Besuch von „Onkel Theo“ oder das Konzert der Heavy Metal Band „Iron Maiden“.
Gespiegelt wird das alles nur im Dialog, je nach Situation gerade mal untermalt von Musik, Staubsauger oder einem Auto, das wegen Benzinmangels stehen bleiben wird. Keine formalen Experimente also, dafür aber sind die Dialoge kleine Kabinettstücke wunderbar frecher und komischer Beschreibung unseres alltäglichen Lebensgefühls, überspitzt natürlich, manchmal bis zur Kabarettreife ausgefeilt, manchmal gerade mal gelungen, aber immer pointiert und amüsant.
Die Jury hat sich für „Viererpack“ entschieden, weil sie eine der gelungensten Formen intelligenter Unterhaltung sind, die ihr bisher vorgelegt wurden, geeignet, auch den eingefleischtesten Hörspielmuffeln ihre Vorbehalte gegen das Genre zu nehmen. |
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Mutter, drei Töchter
„Viererpack“, fünf Hörspiele von Christian Bieniek:
„Zimmer frei“, „Iron Maiden“, „Die Einsamkeit des Staublappens“, „Onkel Theo“, „Das Picknick“
Regie: Burkhard Schmid (HR 1)
„Warum ist die deutschsprachige Gegenwartsliteratur so langweilig?“ fragt im September nicht unüberraschend das Literaturhaus (!) in Wien -, und auch über die Unterhaltungsqualität des deutschsprachigen Gegenwartshörspiels sollte einmal debattiert werden.
Wer die Ursendungen der deutschen Sender verfolgt, wird über den hohen Anteil übersetzter Texte bei den Neuproduktionen und über die Qualität der Radiostücke jüngerer deutscher Autoren irritiert sein.
Da führt uns etwa Dirk Brauns in gekünstelten Dialogen in die Tiefen von Vergewaltigung, Mord und Brandstiftung; Tim Krohn bietet den gelehrten und nervigen Monolog eines Koches, der sich über Fleisch und Plinius auslässt; Michael Farin fabuliert über Mörder und Opfer, Psychiater und Richter, Dirk Spelsberg lässt zwei literarisch kompetente Lauscher literarisch wohlgeformte, doch langweilige Sätze formulieren. „Listen to me“, heißt das Stück (fast schon bittend).
Im zeitgenössischen Hörspiel breitet sich gegenwärtig (und von einigen Redaktionen offenbar gewollt) eine seltsame Mischung aus Post-Foucault-Themen, Neu-Klagenfurter-Shocking und Langeweile aus. Dies alles kann von den gerade mal zehn- bis fünfzehnminütigen Kurzhörspielen nicht behauptet werden, die Christian Bieniek geschrieben hat und die der Hessische Rundfunk gegenwärtig unter dem Reihentitel „Viererpack“ ausstrahlt.
Viererpack ist eine vierköpfige Frauen-Familie, die aus Mutter und den drei Töchtern Agnes (19), Elke (14) und Pia (12) besteht. Die Kurzhörspiel-Reihe wird am Dienstag-Nachmittag auf HR 1 gesendet - und hat vielleicht die Chance, ein aktueller Nachfolger der legendären NDR-Serie „Papa, Charly hat gesagt“ zu werden.
„Viererpack“ berichtet aus dem Alltag der männerlosen Familie. In den kurzen Szenen geht es um die Freunde der Töchter, die Enge der Wohnung, den Besuch eines Verwandten oder die plötzlichen künstlerischen Ambitionen der Mutter. Kinderfreuden und Mütterängste werden angesprochen, und die Fernseh-Liebe der Rumpf-Familie wird vorgelebt („Die Sendungen sind doch nicht so wichtig, nur das Umschalten“).
Dabei wird das Zusammenleben nicht formal anspruchsvoll oder besonders innovativ dargestellt. Bieniek schildert einfach ganz alltägliche Konflikte, es gelingt ihm, das Nötige in kurzen Dialogen mitzuteilen, pointiert, frech, situationskomisch und doch auch witzig zu formulieren. Doch die Spiele sind nicht witzig im Sinne von Blödeln, sondern weil die Menschen und ihre Wahrnehmungen so verschieden (und doch so ähnlich) sind.
Bieniek schaut den Generationen aufs Maul, verbalisiert die unterschiedlichen und generationsspezifischen Erfahrungen - und das macht diese Reihe immer wieder überraschend. „Ich hasse Volksmusik“, stöhnt Tochter Pia (12). „Ich auch!“ sagt die Mutter, „Aber ich kann mir stundenlang die Idioten angucken, die so was singen.“ In diesem kurzen Wortwechsel steckt mehr Ironie (und vermutlich auch Realität) als in einem ganzen Hörspiel über unsere modernen Herzileins -, und von diesen kurzen und pointierten, kurzum: gelungenen Szenen ist das Spiel voll.
Ob die Dialoge vom Opernbesuch oder von Malerei handeln, ob über ein Heavy-Metal-Konzert gesprochen oder das abendliche Rendezvous der Tochter vorbereitet wird - „Viererpack“ zeichnet sich durch präzise Situationskomik aus und ist doch meilenweit von jeglichem Kabarettismus, von jedem Gut-und-Böse-Denken und von aller Aggressivität entfernt.
Mit Katharina Saller ist eine schöne Besetzung für die liebenswürdig rotzige Pia gefunden worden; Regine Vergeen spielt überzeugend die vierzigjährige, hilflos vorsorgliche Mutter. Annick Klug (Agnes) und Katharina Lange (Elke) sind weitere Mitwirkende. Regie führte in dieser amüsanten Produktion Burkhard Schmid.
Ich hoffe, dass diese Kurzhörspielreihe nicht nur den Hörern des Hessischen Rundfunks vorbehalten bleibt.
(Hans-Jürgen Krug - Evangelischer Pressedienst - 07.09.1994) |
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